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Der politische Kommentar: Die sieben Märchen von der Atomkraft

Veröffentlicht am 17.08.2008 in Bundespolitik
Saskia Esken

Von Saskia Esken

In der neuen Debatte um den Ausstieg aus der Kernenergie werden uns eine ganze Reihe uralter Märchen aufgetischt, mit denen hier einmal aufgeräumt werden soll. Wir dürfen nicht zulassen, dass auf Kosten unserer Zukunft eine Branche ihre Rendite maximiert, die durch Subventionen schon bisher märchenhaft verdient hat. Denn das ist doch letztlich der ganze Sinn dieser „neuen“ Debatte.

Märchen No. 1: Die Laufzeitverlängerung für alte AKWs macht den Strom billiger

Baden-Württemberg hat mit 55% den höchsten Atomstromanteil in Deutschland, trotzdem sind und bleiben unsere Strompreise überdurchschnittlich. e.on hat 2007 bei über 5 Mrd. Euro Überschuss die Strompreise um bis zu 10% erhöht. Trotzdem baut der Bundeswirtschaftsminister Glos auf eine freiwillige Selbstverpflichtung der Energieversorger, zusätzliche Gewinne in Strompreissenkungen umzuwandeln. Der Chef der EnBW Hans-Peter Villis hat das bereits öffentlich und deutlich abgelehnt.

Märchen No. 2: Ohne die Kernenergie droht uns eine Versorgungslücke, die energiepolitische Unabhängigkeit Deutschlands ist in Gefahr

Obwohl auch AKWs immer wieder wegen technischer Probleme nicht oder nur teilweise am Netz sind, werden die deutschen Energiekonzerne 2008 eine Rekordmenge an Strom exportieren können.

Das für die Herstellung von Brennstäben notwendige Uran kommt in wirtschaftlich nutzbaren Abbaustätten nur außerhalb Deutschlands vor, wir sind also zu 100% vom Import abhängig.

Für die Nutzung des Potenzials der Energieeffizienzsteigerung fehlen bisher die deutlichen Investitionsanreize. Für den zügigen und mutigen Ausbau der erneuerbaren Energien muss die Politik ihre Steuerungsaufgabe deutlicher als bisher wahrnehmen. Noch haben wir auf diesen Feldern einen Technologievorsprung für unsere Exportwirtschaft, auch für den Arbeitsmarkt liegen hier Wachstumschancen.

Märchen No. 3: Die Atomkraft steht unabhängig von der Tages- und Jahreszeit allzeit verlässlich zur Verfügung

Atomkraftwerke müssen regelmässig wegen eines Über- oder Unterangebots an Kühlwasser oder zu hoher Wassertemperaturen die Leistung drosseln oder sogar abgeschaltet werden. Auch die Erneuerbaren sind keine Schönwettertechnologien. Mit einer durch Forschungsgelder geförderten Weiterentwicklung der Speichertechnologie könnten Spitzen- und Engpassprobleme bald überwunden sein.

Märchen No. 4: Atomstrom ist sauber und umweltfreundlich

Der Abbau von Uran findet unter katastrophalen Bedingungen statt, und auch wenn das außerhalb von Deutschland geschieht, darf es uns nicht kalt lassen. Dabei fallen giftiger Abraum und verseuchtes Abwasser an und es treten radioaktive Gase aus.

Für Kinder, die in der Nähe von Atomanlage wohnen, gilt ein erhöhtes Krebsrisiko mittlerweile als gesichert, für Erwachsene kann es nicht ausgeschlossen werden. Auch weitere Auswirkungen der erhöhten Strahlung auf die Umwelt sind ungeklärt.

Märchen No. 5: Ohne das Moratorium in Gorleben wäre die Endlagerung für atomaren Müll längst gelöst

Das Bundesamt für Strahlenschutz widerspricht heftig: Auf der ganzen Welt gibt es bis heute nicht ein einziges Endlager für radioaktive Abfälle, die Endlagerfrage ist und bleibt also technisch ungelöst. Im Forschungsbergwerk Asse II war unlängst zu beobachten, was die „ergebnisorientierte“ (Glos) Erforschung der Endlagertechnik bedeutet: klarmmheimlich wurden große Mengen radioaktiv belasteter Salzlauge aus leckgeschlagenen Fässern beseitigt und gemeinschaftlich vertuscht, damit die Öffentlichkeit auch weiterhin an das Märchen der Lösbarkeit der Endlagerung glaubt.

Märchen No. 6: Unsere Reaktoren gehören zu den sichersten der Welt

Gerade die alten AKWs, deren Laufzeit jetzt verlängert werden soll, haben einem terroristischen Anschlag nichts entgegenzusetzen, und auch die modernen Druckwasserreaktoren würden erheblichen Schaden nehmen. Ab einer Betriebsdauer von 20 Jahren steigt das Risiko eines Reaktorunfalls sprunghaft an.

Bei allen Störfällen in Deutschland, in Schweden oder unlängst in Frankreich gibt es ein gleichbleibendes Muster: Eine Gefährdung der Bevölkerung wird zu jeder Zeit ausgeschlossen. Die Betroffenen aber werden erst später erfahren, ob die per Definition tolerable radioaktive Belastung für ihre Gesundheit tolerabel war oder nicht, ob sie an Krebs erkranken werden oder ob ihre Erbanlagen geschädigt wurden. Erst dann werden die Biologen feststellen können, welche Auswirkungen z.B. die Verseuchung der Gewässer auf die Tier- und Pflanzenwelt hatte.

Märchen No. 7: Die neuen Verfechter der Kernenergie wollen doch nur unser Klima schützen

Das wäre das schönste Märchen. Doch das einzig märchenhafte an der Abkehr vom Atomausstieg sind die Gewinne, die diese Lobbyisten den Aktionären ihrer Auftraggeber verschaffen wollen.

Für mich gibt es also in der Kernenergiefrage keine neuen Argumente, selbst wenn steigende Energiepreise und wachsende Sorglosigkeit zu Schwankungen der öffentlichen Meinung führen sollten.

Die Meinungsforschung ist eine sehr weiche Disziplin. Auf die Frage aber, ob sie den Bau eines Kernkraftwerks in ihrem Wohnort zustimmen würden, wenn sie als Gegenleistung lebenslang kostenlos Strom erhalten würden, haben immerhin 68% der deutschen Befragten mit einem klaren Nein geantwortet.

Wir dürfen den gesellschaftlichen und politischen Konsens über das Ende der Nutzung der Kernenergie in Deutschland nicht preisgeben, das haben wir den Menschen versprochen. Deshalb ist für mich das alte Motto wieder brandaktuell:
Atomkraft - nein danke!

Saskia Esken

 

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Saskia Esken, MdB

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