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CDU schürt Vorurteile gegen sozial schwächere Eltern

Veröffentlicht am 25.11.2009 in Landespolitik

Auf ihrem Landesparteitag in Friedrichshafen am vergangenen Wochenende haben die Delegierten der Landes-CDU einen Leitantrag beschlossen, der den Titel „Kinderland Baden-Württemberg Plus“ trägt. Darin stellt die CDU unter dem Titel „Vernachlässigung darf nicht ohne Konsequenzen bleiben“ Gedankenspiele an, wie beispielsweise die Konsequenzen für Eltern aussehen könnten, die ihre Kinder „ohne Frühstück“ in die Schule schicken. Es sei denkbar, so der Leitantrag, staatliche Unterstützung für Kinder wie den Kinderzuschlag beim ALG II den Kindern direkt über den Schulträger zukommen zu lassen, der dann eine regelmäßige Ernährung der Kinder sicherstellen soll.

Zum einen stellt sich natürlich die Frage sowohl nach der gesetzgeberischen Umsetzbarkeit dieser Idee, die auch Generalsekretär Strobl schon in Zweifel gezogen hat. Wer stellt fest und weist nach, welche Kinder wie regelmäßig ohne Frühstück in die Schule kommen, obwohl sie gerne eines gehabt hätten? Welchen Betrag welcher staatlichen Unterstützung will man dann einbehalten, um die Ernährung der Kinder sicherzustellen? Es wäre interessant, hierzu die Einschätzung des neuen Staatssekretärs für Soziales im Arbeitsministerium, Hans-Joachim Fuchtel, aus dem Kreis Calw zu hören.

Ich als Kommunalpolitikerin interessiere mich auch für die praktische Umsetzung und phantasiere mal: Mit hohem bürokratischen Aufwand des kommunalen Sozialamts identifiziert man in den Schulen die Kinder, deren Eltern regelmäßig nicht für Frühstück sorgen. Bei den Eltern, die ALGII beziehen, werden dann pro Schultag die 2,50 € einbehalten, die dort für Nahrung und Getränke vorgesehen sind, und werden an den Schulträger weitergeleitet. (Schwierig wird es natürlich bei Eltern, die kein Frühstück machen, obwohl sie gar keine staatliche Unterstützung beziehen – diesen Einwand wischen wir aber mal beiseite.) Frühstück, Vesper, Mittagessen, Abendessen und Getränke zwischendurch für 2,50 € - eine echte Herausforderung nicht nur für die Empfänger von Hartz IV. Waren beim Landesparteitag der CDU eigentlich viele Bürgermeister und Oberbürgermeister unter den Delegierten, die schon mal mitgerechnet haben?

Die Vernachlässigung von Kindern hat viele Gesichter und erschöpft sich nicht im Fehlen von Frühstück. Vernachlässigung von Kindern ist ein gesellschaftliches Problem ist, das quer durch alle Schichten vorkommt. Im einen Fall ist der Hintergrund vielleicht eine emotionale Prägung, die kein tiefes Interesse am Schicksal der eigenen Kinder zulässt, im andern Fall ist es die schlicht zeitliche und organisatorische Überforderung von Eltern, die doppelt berufstätig sind, um ihren Kindern ein gutes Zuhause, gesunde Ernährung, ordentliche Kleidung, Vereinsmitgliedschaften, die Teilnahme an Schullandheimen, den Besuch der Musikschule oder gar eine qualifizierte Nachhilfe zu ermöglichen. Schon davon sind Empfänger von ALGII zwar meilenweit entfernt. Trotzdem unterstelle ich den Eltern unter ihnen ebenso wie allen anderen Eltern in der Mehrheit, das Beste für ihre Kinder zu wollen.

Mir drängt sich der Verdacht auf, dass man sich um die Umsetzbarkeit dieser unausgegorenen Idee wenig Gedanken gemacht hat, weil an eine Umsetzung gar nicht gedacht ist. Der Vorschlag der Leistungskürzung für Eltern, die „ihrem Erziehungsauftrag nicht nachkommen“, dient ausschließlich dem Zweck, billigste Vorurteile gegen sozial schwache Eltern zu bedienen und zu schüren.

Die Landesregierung täte stattdessen gut daran, für die vielen wertvollen familien- und bildungspolitischen Absichtserklärungen, die dieser Leitantrag für den Ausbau der Jugendsozialarbeit, von Sprachförderung und Ganztagseinrichtungen für Bildung und Betreuung formuliert, den umsetzenden Kommunen auch die finanziellen Mittel bereitzustellen – frei nach dem Motto „Wer bestellt, der bezahlt“.

Saskia Esken, Bad Liebenzell

 

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Saskia Esken, MdB

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